Historischer Hintergrund
Nach dem Umsturz in Polen im Jahre 1918 kursierten in Kleinpolen (dem ehemaligen Galizien) und dem Herzogtum Teschen vorerst die österreichischen Briefmarken der Ausgabe 1916‑1918. Durch das Einschmuggeln großer Mengen dieser Marken aus dem Ausland entstand der Post ein großer finanzieller Schaden. Die Lemberger Post- und Telegraphendirektion, die zu dieser Zeit in Krakau amtierte, verfügte daher, dass ab dem 20.Januar 1919 alle diese österreichischen Postwertzeichen ihre Gültigkeit für das Gebiet des polnischen Staates verlieren sollten. Der betreffende, im amtlichen Verordnungsblatt Nr. 2 vom 15. Januar 1919 der galizischen Post- und Telegraphen-Direktion in Lemberg veröffentlichte Erlass lautete wörtlich:
Nro. 488/XI. Sehr wichtig – sofort durchführen ! Betr.: Verbot des Frankierens von Postsendungen mit österreichischen Briefmarken ab 21. Januar 1919 und sofortige Abfuhr sämtlicher Vorräte an das Postökonomat in Krakau. Mit 20. Januar 1919 verlieren die bisher im Umlauf gewesenen österreichischen Postwertzeichen ihre Gültigkeit für das Gebiet des polnischen Staates. Mit diesem Tage ist bei allen Postämtern der Verkauf dieser Postwertzeichen an das Publikum sowie an die befugten Verkaufsstellen einzustellen und die Barbezahlung der Postgebühren einzuführen. Das Benutzen der österreichischen Briefmarken zur Frankatur von Postsendungen sowie der Gebrauch von Formularen mit eingedruckten österreichischen Postwertzeichen ist ab 30. Januar l. J. verboten und zieht die Ungültigkeitserklärung der erfolgten Frankierung nach sich. Sämtliche Postämter haben die bei ihnen erliegenden Vorräte österreichischer Postwertzeichen sofort, spätestens aber am 21.1. l. J. an das Postökonomat in Krakau mittels Abfuhrschein abzuliefern und dies rechnungsmäßig in der Monatsrechnung. bzw. in der Markenrechnung durchzuführen. Gleichzeitig haben die Postämter die Höhe ihres Bedarfes an neuen Briefmarken dem Ökonomat in Krakau zu melden und bis zum Eintreffen des verlangten Bedarfes die Beträge zum Freimachen der Postsendungen in Barem einzuheben, hierfür die vorgeschriebene Rechnung zu führen und in der bisher festgesetzten Weise solche Postsendungen ausdrücklich kenntlich zu machen, d. h. auf diesen Postsendungen den augenfälligen Vermerk „Bar bezahlt! Journal-Nro. …..“ und daneben den Tages-Poststempel anzubringen. Da sich die mit vorliegendem Erlass nunmehr außer Kurs gesetzten Postwertzeichen überdies noch bei befugten Verkaufsstellen vorfinden, sind diese Stellen sofort zu verständigen und die bei ihnen vorhandenen Bestände mittels einer in zwei gleichlautenden Parien ausgestellten Konsignation einzuziehen. Die eine, vom betreffenden Postamt gefertigte Parie verbleibt in der Verkaufssteile als Quittung. wohingegen die zweite, von dem Verkäufer unterfertigte Parie samt den eingezogenen Post-wertzeichen an das Postökonomat in Krakau abzuführen ist. Statt der abgegebenen österreichischen Briefmarken erhält der Verkäufer dieselbe Anzahl. bzw. densenselben Wert in neuen oder überdruckten Briefmarken, jedoch unter der Bedingung. daß die Werthöhe der dem Verkäufer abgenommenen Briefmarken nicht größer sein darf als der Gesamtwert der ihm bei der letzten Fassens behufs Verkaufs zur Verfügung gestellten Briefmarken. Eine die letzte Briefmarkenfassung im Gesamtwerte übersteigende Zuweisung von neuen Briefmarken kann über hieramtlich einzuholende Erlaubnis nur dann stattfinden, wenn der Verkäufer die Tatsache oder zumindestens die Möglichkeit nachweist, daß er den von ihm abgeführten Überschuss nicht von Privatpersonen, also illegal erworben, sondern daß dieser aus Restbeständen von früheren nicht zur Gänze verkauften Fassungen stammt. In dieser Beziehung dürfen die Postämter die Aussagen der Verkäufer nicht kritiklos entgegennehmen, sondern haben in jedem einzelnen Fall gewissenhaft nachzuforschen, gleichen Umständen diese eine normale Fassung übersteigende Anhäufung der beim Verkäufer vorgefundenen Briefmarken zuzuschreiben ist. Die Privatparteien, insbesonders Institutionen, welche sich erfahrungsgemäß infolge ihrer umfangreichen Korrespondenz im Besitz größerer Mengen von Briefmarken befinden, sind sofort von der mit: 20.1. l. J. erfolgenden, Außerkurssetzung der österreichischen Briefmarken zu verständigen und zum Verkauf ihrer Markenvorräte an das Postamt bis längstens 20. 1. l. J. aufzufordern mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß ein Verkauf nach diesem Termin nicht mehr werde erfolgen können. Es wird sich selbstverständlich in Fällen eines derartigen Verkaufes nur um geringe Mengen von Briefmarken handeln können, da eine größere Anhäufung in Privathänden nur auf ungesetzmäßige Weise stattfinden konnte. In einem solchen Falle sind die fraglichen Mengen von den Postämtern ohne Entschädigung zu beschlagnahmen und zwecks weiterer Entscheidung anher vorzulegen. Der oben angesetzte Termin für die an das Postökonomat in Krakau zu erfolgende Abfuhr der von den Verkäufern, bzw. Privatparteien gegen oder ohne Entgelt übernommenen Postwertzeichen ist genauestens einzuhalten. Eine nach diesem Termin durch die derzeit in Betrieb befindlichen Postämter erfolgende Abfuhr von österreichischen Postwertzeichen wird nicht berücksichtigt werden und haben für einen hierdurch entstandenen Schaden die betreffenden saumseligen Postämter selbst aufzukommen. Über die von Privatparteien ohne sofortige Wertvergütung eingezogenen Briefmarken sind ebenfalls Konsignationen anzulegen und ist im Übrigen in analoger Weise wie mit den von befugten Verkaufsstellen eingezogenen Briefmarken vorzugehen. Die Formulare von Postbegleitadressen und Postanweisungen sind bis auf weiteres nicht abzuführen, sondern behalten vorläufig noch ihre Gültigkeit, jedoch mit der Anordnung, daß der Wertunterschied von 1 Hellern pro Stück in Barem einzuheben und als „Barzahlung“ zu verrechnen ist. Die in Postkasten unfrankiert eingeworfenen gewöhnlichen Briefe, bzw. Karten unterliegen dem entsprechenden Strafporto. Von der Gewissenhaftigkeit der Beamten der Abgabepostämter wird erwartet, daß dieselben das entfallende Strafporto genau ermitteln und derlei unfrankierte Sendungen mit demselben belasten, die von den Adressaten eingehobenen Strafzahlungen täglich konsignieren und genauestens in der Portorechnung verrechnen werden. Für die zurzeit nicht im Betrieb stehenden Postämter gilt dieser Erlass sofort mit dem Tage ihrer Reaktivierung, bzw. mit dem Tage seiner Zustellung. Lemberg. am 12. Janaar 1919. |
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